Russland verschärft Kontrolle über Bitcoin
Russland regelt das Mining mit einem ab November in Kraft tretenden Gesetz neu. Unter vielen Bitcoin-Medien fand das Gesetz ein positives Echo – zu Unrecht, erklärt ein Gastautor, der das Thema aus praktischer Erfahrung kennt.
Russland habe, heißt es in diversen Medien , das Mining mit einem neuen Gesetz legalisiert. Die meisten Medien geben diese Nachricht unkommentiert aus russischen Regierungsmedien wieder, oft froh genug, eine Nachricht zu haben, die „gut für Bitcoin“ ist, selbst wenn es um Russland geht.
Einer unserer Leser, der aus eigener Erfahrung mehr zum Thema weiß, sieht das sehr viel kritischer. Das neue Gesetz komme einem Verbot von Börsen und Wallets gleich, und versuche, die vitale, aber auch aufsässige russische Bitcoin-Szene in die Moskauer Staatsräson einzuzwängen.
Daher veröffentliche ich hier einen mit ihm gemeinsam ausgearbeiteten Kommentar.
Ein Gastbeitrag von einem anonym gebliebenen Leser
Die bisherige Gesetzeslage
Um zu verstehen, was das neue Gesetz bedeutet, das ab dem 1. November in Kraft treten wird, muss man verstehen, wie die gesetzliche Lage bisher ist.
Zunächst einmal war das Bitcoin-Mining in Russland bisher nicht verboten. Es gab für eine lange Zeit Unsicherheiten und Mining bewegte sich in einer rechtlichen Grauzone. Mit dem „Gesetz über digitale Finanzanlagen“ (DFA-Gesetz) vom 1. Januar 2021 wurde Mining erstmals als unternehmerische Tätigkeit definiert, die reguliert und besteuert werden kann.
Russland begann in der Folge, Mining stärker zu regulieren, vor allem was den Energieverbrauch und die Steuern angeht. Nebenbei gab es Diskussionen und Gesetzesvorschläge, um Mining expliziter und auf nationaler Ebene zu regulieren.
Kauf, Verkauf und Besitz von Kryptwährungen wie Bitcoin ist für Privatpersonen derzeit noch legal. Allerdings dürfen sie nicht als gesetzliches Zahlungsmittel verwendet werden. Man darf keine Waren und Dienstleistungen mit Bitcoin erwerben, der Rubel ist in Russland die einzige offizielle Währung.
Das neue Gesetz, das am 1. November 2024 in Kraft tritt, soll den Energieverbrauch und die Besteuerung des Minings nun besser kontrollieren. Da Russland über reichlich billige Energiequellen verfügt, ist das Land zu einem wichtigen Standort für das Bitcoin-Mining geworden, insbesondere in Regionen wie Irkutsk und Krasnojarsk.
Ein Verbot öffentlicher Börsen
Um die bald geltende Rechtslage richtig einordnen zu können, ist ein kritischer Blick auf das von Präsident Putin Anfang August 2024 unterzeichnete Gesetz (Föderales Gesetz vom 08.08.2024 Nr. 221-FZ) notwendig. Auf der Website für die offizielle Veröffentlichung von Rechtsakten kann man es nachlesen ( http://pravo.gov.ru/ ).
Vorab: Das neue Gesetz hat nichts damit zu tun, dass Bitcoin in Russland weiter legalisiert wird, und es ist auch kein Schritt hin zu einer freiheitlicheren Wirtschaftsordnung. Eher im Gegenteil.
Es ist vielmehr so, daß Russland seinen eigenen Bürgern die Nutzung von Kryptowährungen als Zahlungs- und Tauschmittel im Inlandsverkehr auch künftig verbietet. Darüber hinaus werden Kryptobörsen massiven Einschränkungen in der Zusammenarbeit mit ihren russischen Privatkunden unterworfen.
Im Wortlaut heißt es: „In der Russischen Föderation ist es verboten, einem unbegrenzten Personenkreis digitale Währungen oder Waren (Arbeiten, Dienstleistungen) zur Organisation oder Erleichterung des Umlaufs einer digitalen Währung anzubieten“. Praktisch kommt das einem Verbot von öffentlichen Börsen und Wallets gleich.
Desweiteren verbietet das Gesetz jegliche Werbung für digitale Währungen, einschließlich für Waren (Arbeiten, Dienstleistungen) „zur Organisation oder Erleichterung des Umlaufs einer digitalen Währung“.
Wer als russischer Bürger Bitcoin kaufen möchte, erlebt schon heute erhebliche Einschränkungen, wie ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann. Man kann nur noch bei einzelnen Anbietern Rubel per Banküberweisung einzahlen, bei fast allen Kryptobörsen ist dies nicht mehr möglich.
Das neue Gesetz betrifft sämtliche in- und ausländische Börsen, die sich mit ihrem Angebot an russische Bürger wenden. De facto scheint es somit jeglichen Kryptobörsen verboten zu werden, mit russischen Privatleuten Geschäfte zu tätigen. Wie strikt dieses Gesetz durchgesetzt wird, bleibt aber abzuwarten.
Miner als Büttel der Regierung zur Sanktionsumgehung
Kommen wir nun zu dem, worüber die Presse international berichtet hat: Das Mining.
Tatsächlich erlaubt es das neue Gesetz, dass ab September lizensierte und überwachte Miner Bitcoins schürfen. Dies aber nur für die Verwendung im Auslandsverkehr.
In Abstimmung mit der Zentralbank wird die Regierung Anforderungen formulieren, die das Mining durch natürliche und juristische Personen regulieren. Die Regierung wird die Befugnis haben, das Mining von Kryptowährungen in bestimmten russischen Regionen zu verbieten.
Juristische Personen und Einzelunternehmer, die Kryptowährungen minen, sowie die Betreiber der Mining-Infrastruktur werden sich in ein spezielles Register eintragen lassen müssen, das vom russischen Ministerium für digitale Technologie, Kommunikation und Massenmedien geführt wird.
Bürger, die keine Einzelunternehmer sind und Kryptowährungen schürfen, sind von dieser neuen Regelung befreit, wenn der Energieverbrauch dabei eine bestimmte Grenze nicht überschreitet. Doch auch sie müssen dem Föderalen Finanzüberwachungsdienst Russlands Informationen über die gewonnene Währung und die Identifizierungsadressen zur Verfügung stellen.
Russland erlaubt das Mining, ja – aber unter strengen Auflagen und gründlicher Überwachung.
Digitale Finanzanlagen
Neben diesen beiden wichtigen Abschnitten zu Handel und Mining finden sich in dem Gesetz noch weitere Paragraphen.
So präzisiert es etwa das Verbot, digitale Währungen für finanzielle Abrechnungen zu verwenden. Es soll nicht für Währungen gelten, die von russischen Minern geschürft werden.
Dazu gibt es auch eine Klausel über digitale Finanzanlagen. Das meint vermutlich so etwas wie „Krypto-Assets“, etwa Anleihen oder sonstige Wertpapiere, die als Token abgebildet sind. Das Gesetz erlaubt deren Handel, selbst wenn sie ihren Sitz im Ausland haben, auf russischen Blockchain-Plattformen. Die Bank von Russland (die Zentralbank) wird aber das Recht haben, die Platzierung einzelner Emissionen zu verbieten, wenn sie diese als Bedrohung für die Finanzstabilität ansieht.
Die Regulierungsbehörde wird berechtigt sein, zusätzliche Anforderungen für ausländische digitale Rechte festzulegen, die in russischen Systemen platziert werden können. Die Zentralbank wird auch berechtigt sein, Anforderungen für Personen festzulegen, die ausländische digitale Finanzaktiva erwerben dürfen, während das Gesetz deren Erwerb durch Personen, die russische Staatsbürger sind, ohne Genehmigung der Aufsichtsbehörde eindeutig untersagt.
Im Klartext: Hier geht es darum, dass ein Regime unter strenger Überwachung heimischen Minern gestattet, „Hartgeld“ in Form von Bitcoin zu erzeugen, um Sanktionen zu umgehen und dringend benötigte Güter (z.B. Waffen, Vorprodukte für die heimische Rüstungspoduktion) zur Finanzierung des Angriffskrieges gegen die Ukraine zu beschaffen. Russland hofft, mittels so gewonnener Kryptodevisen einfache Rohstoffe oder Kriegsgüter im Ausland kaufen zu können, fürchtet aber gleichzeitig, die Kontrolle zu verlieren.
Man kennt dieses Modell von Ländern wie dem Iran: Die Regierung will Bitcoin nutzen, verbietet es aber dem Volk. Was als Bewegung für die Emanzipation der Menschen vom Staat startete, soll, geht es nach dem Kreml, nur dem Staat nutzen, nicht aber den Menschen.
Monetäre Selbstverteidigung
Tatsächlich hat die Regierung Russlands berechtigte Gründe, Bitcoin und andere Kryptowährungen zu fürchten. Denn für die Stabilität des ohnehin stark geschwächten Rubels und damit letzten Endes auch der Regierung ist der enorme Kapitalabfluss seit dem Überfall auf die Ukraine ein großes Problem. Viele Russen wollen ihr Geld in Sicherheit bringen. Raus aus Russland, raus aus dem Rubel – rein in Bitcoin.
Stablecoins und andere Kryptowährungen werden zwar auf Börsen angeboten, die P2P-Marktplätze fokussieren sich jedoch vorwiegend auf Bitcoin.
Viele Russen kaufen neben Gold und den nur noch in kleinen Tranchen erhältlichen Währungen Dollar und Euro auch Bitcoin. Das Ziel: Schutz des Vermögens vor der galoppierenden Inflation. Nach amtlichen Angaben liegt die Inflation in Russland derzeit bei 18 Prozent pro Jahr. Inoffizielle Schätzungen gehen von einem wesentlich höheren Wert aus. Es herrscht die nicht unbegründete Angst, dass der Rubel dem Weg der türkischen Lira folgt, die mit bis zu 80 Prozent im Jahr inflationiert. Sich in Bitcoin zu flüchten ist damit ein Akt der monetären Selbstverteidigung.
Ein anderer Grund für das wachsende Interesse an Bitcoin sind Transfers ins Ausland. Es gibt viele Expats und Gastarbeiter, die Angehörige im Ausland unterstützen. Seit dem Überfall auf die Ukraine sind Schätzungen zufolge bis zu einer Million Menschen aus dem Land geflohen, überwiegend, junge, gebildete, technik-affine Menschen.
Mit Sanktionen und Maßnahmen versucht die Regierung, die Kapitalflucht zu erschweren. Ironischerweise unterstützt der Westen sie mit Finanzsanktionen dabei unfreiwillig. Findige Russen haben zur Umgehung dieser Hürden Börsen in anderen Jurisdiktionen (Asien, arabischer Raum) gegründet, wo weder US-Sanktionen noch russische Einschränkungen greifen.
Bareinzahlungen und AML-Tools
Die Bitcoin-Szene in Russland ist vital, aber eben nicht so, wie es sich die Regierung wünscht. Daher gibt es gute Gründe, anzunehmen, dass unerwünschte Verwendungen mit dem neuen Gesetz noch stärker unterbunden werden.
Aber die meisten Russen sind gewohnt, sich in einer rechtlichen Grauzone zu bewegen, und bleiben eben darin. Es ist relativ üblich, Rubel in Bar einzuzahlen, etwa bei Garantex in Moskau. Man bringt oder schickt die Scheine hin und erhält sie dann auf der Börse gutgeschrieben. Alternativ bekommt man einen Coupon, den man teilen kann. Die Gebühren sind etwas undurchsichtig, erreichen aber rasch 10-15 Prozent.
Die US-Sanktionen gegen Börsen wie Garantex machen die Lage für ausländische Transaktionspartner komplizierter. So müssen etwa AML-Werkzeuge verwendet werden, um sicher zu gehen, dass keine „schmutzigen“ („tainted“) Coins erworben werden und zu westlichen Börsen gelangen. Es ist jedoch kaum zu vermeiden, dass die westlichen Sanktionen ausgerechnet diejenigen bestrafen, die legale Gelder in Sicherheit bringen wollen. Beispiele hierfür sind Exilanten oder aus anderen Gründen im Ausland lebende russische Staatsangehörige.
Terror gegen das eigene Volk
Mit den von der Bitcoin-Community teilweise gefeierten „Fortschritten in der Technologieoffenheit“ hat die angebliche Legalisierung des Minings in Russland also nicht das Geringste zu tun. Das ist reinste Propaganda der darin geübten russischen Institutionen, allen voran Russia Today, dem Sprachrohr für das Ausland, das mittlerweile in vielen westlichen Kreisen auf offene Ohren trifft.
Bei diesem Thema ist man schnell bei einem noch viel größeren Thema. Nämlich der Tatsache, dass gewöhnliche Deutsche praktisch keine Vorstellung davon haben, unter welch widrigen Bedingungen die meisten Russen in ihrem eigenen Land leben, zusammengesetzt aus über 190 ethnischen Gruppen und Nationalitäten mit einer Kerngruppe von etwa 77% russischstämmigen Bürgern. An die Stelle des „Wissens“ tritt hierzulande oftmals eine „Romantisierung“, die eher eine metaphysische Verbindung zu Russland sucht als Realitäten.
So ist nur wenigen Deutschen bekannt, wie sehr Russland den Terror gegen das eigene Volk seit der Putin-Ära institutionalisiert hat. Binnen 15 Jahren wurden jegliche demokratischen (Menschen-)Rechte der Bürger praktisch abgeschafft, die Gewaltenteilung faktisch aufgehoben und Rechtlosigkeit und Willkür zum Standard gemacht.
Viele Deutsche, aber auch Sympathisanten anderer Nationalitäten, wollen das nicht wahrhaben und gehen den vielfältigen Propagandainstrumenten der russischen Regierung nur allzu gerne auf den Leim. Parteien wie AfD und „Bündnis Sarah Wagenknecht“ (BSW) wirken mit ihrer irrationalen Beurteilung des russischen Angriffskrieges wie willige Handlanger des Putin-Regimes.
Wer tatsächlich meint, in diesem Staat einen Verbündeten zu finden, hat mit Bitcoin und seinen Werten nichts zu tun.
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